Zweiter Raum
Um 1473 war seine Wanderzeit beendet. Nur zwei Jahre später erhielt er den prestigeträchtigsten Auftrag, den die Stadt München zu vergeben hatte: das Bildprogramm für das Münchner Tanzhaus (1478 bis 1480). Er löste die anspruchsvolle Aufgabe souverän. Stadt, Klerus und Adel schätzten ihn seither als Spezialist für das Neuartige, Schwierige und Ausgefallene.
Erasmus - am So, 27. Februar 2005, 18:08 - Rubrik: Zweiter Raum
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Über seine Ausbildung wissen wir wenig. Ging er zur Lehre nach Regensburg? An der Dombauhütte könnte er neben Skulptur auch Baukunst und Mechanik erlernt haben. Ähnlich wie sein Zeitgenosse Leonardo da Vinci war Erasmus Grasser ein Multitalent: Bildhauer, Architekt, Ingenieur und Maschinenkonstrukteur in einer Person.
Erasmus - am So, 27. Februar 2005, 18:07 - Rubrik: Zweiter Raum
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Nicht nur Grassers Arbeiten, auch seine Preise waren überregionale Spitze. So betrug das Honorar für die ursprünglich 16 Münchner Moriskentänzer 150 Pfund - dies entsprach damals dem Gegenwert von 50 Kühen oder 1042 Schafen.
Erasmus - am So, 27. Februar 2005, 18:07 - Rubrik: Zweiter Raum
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Der Widerstand der Münchner Zunftkollegen war vergeblich: 1477 erhielt Erasmus Grasser den Meistertitel. Mehrfach wurde er als Zunftvorsteher gewählt. 1490 zählte er als einziger Künstler zu den 30 wohlhabendsten Bürgern Münchens. Ab 1512 gehörte er dem Äußeren Rat an. Es war das höchste politische Amt, das ein Mitglied einer Handwerkszunft erreichen konnte.
Erasmus - am So, 27. Februar 2005, 18:06 - Rubrik: Zweiter Raum
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Wer war der geniale Ruhestörer? Wenig ist überliefert: geboren wohl um 1450 im Marktflecken Schmidmühlen in der Oberpfalz, gestorben 1518 in München. Über seine Eltern wissen wir nichts. Um das Jahr 1477 heiratete er Dorothea Kaltenprunnerin aus vermögendem Haus. Möglicherweise waren der Maler Hans und ein gewisser Stephan Grasser seine Söhne.
Erasmus - am So, 27. Februar 2005, 18:05 - Rubrik: Zweiter Raum
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Und wirklich: Grasser trat in der bayerischen Metropole bemerkenswert selbstbewusst auf. Er begehrte beim Rat nicht nur die Anerkennung als Zunftmeister, sondern auch die Befreiung von Steuer und Wachtgeld - ein Privileg für hervorragende Künstler. Das Zunft-Establishment sorgte sich um seine führende Stellung - wie sich zeigen sollte, zu Recht.
Erasmus - am So, 27. Februar 2005, 18:05 - Rubrik: Zweiter Raum
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Sein Charakter war wohl umstritten, sein fachliches Können nicht: Selbst die feindseligen Münchner Zunftmeister mussten in ihrer Klage anerkennen, dass ihnen mit dem jungen Talent ein zumindest gleichrangiger Künstler gegenüberstand: „... Und wir doch wol lewt under uns haben, dy von pillden und massen zwvoran alls vil wissen als er (...)“.
Erasmus - am So, 27. Februar 2005, 18:04 - Rubrik: Zweiter Raum
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Münchner Kunstskandal anno 1475: Die Zunft St. Lukas für Maler, Schnitzer, Seidennäher und Glaser wendet sich mit einer Petition an den Rat der Stadt, um dem zugezogenen Bildhauer-Gesellen Erasmus Grasser die Aufnahme in ihren exklusiven Kreis zu verweigern - er sei „ain unfriedlicher, verworner und arcklistiger knecht“, man wolle in „gueter rue“ bleiben.
Erasmus - am So, 27. Februar 2005, 18:04 - Rubrik: Zweiter Raum
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Das zwiespältige Verhältnis des christlichen Mittelalters zum Islam spiegelte sich in der Kunst. Propheten mit Turbanen, Priester mit bizarren Mützen, Könige mit Kamelen und dunkelhäutige Magier - eine bunte Karawane zieht über Altarbilder und profanes Bildwerk. Edle ”Mohren” (von lat. Maurus = Nordafrikaner) und Könige stehen dabei neben dunkelhäutigen Schergen und verschlagenen Turbanträgern.Die Heiligen Drei Könige vertraten aus abendländischer Sicht die positive Seite der orientalischen Hochkultur - die für ihren sagenhaften Reichtum und den verfeinerten Lebensstil bewundert wurde. Caspar, Melchior und Balthasar galten als Magier, Sternendeuter oder sogar Philosophen. Manchmal sah man ihnen auch die Vertreter der drei damals bekannten Erdteile (Asien, Europa, Afrika) oder der drei Lebensalter. Mit ihren exotischen Geschenken deuteten sie die künftige Bestimmung Christi voraus: Königtum (Gold), Gottheit (Weihrauch) und Passionsopfer (Myrrhen). Meistens erscheinen die Heiligen in orientalischer Kleidung. König Caspar ist in der Regel als Mohr dargestellt. Die beiden anderen Könige haben dagegen meistens ein europäisches Antlitz. Im Spätmittelalter erhalten sie häufig ein exotisches Gefolge mit Mohren, Kamelen, Affen und Hunden. Damit macht sich das inzwischen überwiegend negative Bild des islamischen Orients bemerkbar: Affen standen für die Verleugnung der göttlichen Schöpfung und Wahrheit, sie waren ein Sinnbild des Teufels und der Lasterhaftigkeit. Hunde waren nicht grudsätzlich negativ besetzt. Weiße Hunde standen für Glauben und Treue, struppige Hunde für Unglauben. Affen und Hunde begleiten häufig auch Moriskentänzer, etwa am Goldenen Dachl in Innsbruck.Ein zweiter dunkelhäutiger Heiliger ist Mauritius, ein christlicher ägyptischer Märtyrer. Aus seinem Namen (lat. "Maurus" heißt "Nordafrikaner") leitet sich das mittelalterliche deutsche Wort "Mohr" ab. Als Schutzpatron Burgunds wurde Mauritius besonders häufig in der burgundisch geprägten Kunst des Spätmittelalters abgebildet. Als Reichspatron der Salierkaiser und als Ritterheiliger war Mauritius auch im deutschen Raum populär.
Erasmus - am So, 27. Februar 2005, 18:01 - Rubrik: Zweiter Raum
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Das Bild, das sich der Westen vom “Orient” machte, bekam im Lauf der Geschichte mehrere Brüche. Im frühen Mittalalter waren arabische Muslime Träger der überlegenen Kultur. Sie bewahrten die antiken Wissenschaften, entwickelten sie fort und vermittelten ihr Wissen an das christliche Europa. Seit 756 errichteten umajjadische Fürsten in Spanien einen blühenden arabisch-islamischen Staat. Über 300 Jahre lebten dort Mauren, Christen und Juden friedlich zusammen. Eine hoch entwickelte Mischkultur entstand. In Córdoba konnten christliche Gelehrte griechische Philosophie, arabische Medizin, Astronomie und andere Wissenschafte und Künste studieren. Papst Sylvester II (999-1003) verwendete als erster abendländischer Gelehrter die arabischen Ziffern. Der Stauferkaiser Friedrich II lud um 1240 arabische Gelehrte an seinen Hof in Süditalien, und ließ sich in Naturwissenschaften unterrichten. Italienische Kaufleute aus Venedig, Genua, Pisa und weitere Stadtrepubliken trieben lebhaften Handel mit der arabischen Welt. Über die Alpen kamen Gewürze, Textilien, Färbemittel und andere exotische Waren nach Bayern und weiter nach Mittel- und Nordeuropa.Mit Beginn der Kreuzzüge ins Heilige Land und der christlichen Rückeroberung Spaniens verschärfte sich das Verhältnis zur muslimischen Welt. Gleichzeitig förderte die kriegerische Expansion aber die Verbreitung von orientalischen Gütern und der reichen hispano-arabischen Kultur. Spanische Christen siedelten in benachbarten Länder und importierten ihre christlich-maurische Mischkultur. Jakobspilger aus ganz Europa deckten sich in Nordspanien mit arabischen Waren ein. Kreuzfahrer kehrten beladen mit orientalischen Gütern in ihre Heimat zurück. Die Kreuzzüge brachten zwar keinen dauerhaften Erfolg. Durch die militärischen Erfolge in Spanien überwand das christliche Europa aber sein früheres Minderwertigkeitsgefühl gegenüber der islamischen Zivilisation. Es festigte die Überzeugung seiner religiösen, intellektuellen und militärischen Überlegenheit. Die islamische Welt faszinierte das Abendland zwar weiterhin, jedoch weniger durch Hochkultur und Wissenschaft, sondern mehr durch sagenhaft exotisch-erotische Reize. Es erblickte im Orient das fremdartige Gegenbild, das eine ebenso verlockende wie bedrohliche Gestalt annehmen konnte.Höfische Kreise orientierten sich am verfeinerten arabischen Lebensstil. Gleichzeitig verdammten christliche Theologen den Islam als Religion der hemmungslosen Genusssucht und der Gewalt. Mohammed sei der Antichrist, er habe die Wahrheit bewußt verkehrt. Gerade der Geschmack des Verbotenen, so scheint es, ließ alles Orientalische aber umso attraktiver erscheinen.
Erasmus - am So, 27. Februar 2005, 18:01 - Rubrik: Zweiter Raum
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