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Zweiter Raum

Sein Charakter war wohl umstritten, sein fachliches Können nicht: Selbst die feindseligen Münchner Zunftmeister mussten in ihrer Klage anerkennen, dass ihnen mit dem jungen Talent ein zumindest gleichrangiger Künstler gegenüberstand: „... Und wir doch wol lewt under uns haben, dy von pillden und massen zwvoran alls vil wissen als er (...)“.

Münchner Kunstskandal anno 1475: Die Zunft St. Lukas für Maler, Schnitzer, Seidennäher und Glaser wendet sich mit einer Petition an den Rat der Stadt, um dem zugezogenen Bildhauer-Gesellen Erasmus Grasser die Aufnahme in ihren exklusiven Kreis zu verweigern - er sei „ain unfriedlicher, verworner und arcklistiger knecht“, man wolle in „gueter rue“ bleiben.

Wer in München fehlt, ist in Innsbruck dabei: Schöne Dame, Narr, Spielmann und Publikum. Der König hat seine Gemahlin zur Preisrichterin ernannt - auf sein Zeichen hin hält sie den verlockenden Apfel als Siegespreis bereit.

Mohr, Bauer, lockiger Jüngling - manche Moriskentypen treten in München und auch in Innsbruck auf. Gaben die Figuren Grassers das Vorbild? Es ist nicht auszuschließen, doch sind die Tänzer am Goldenen Dachl noch wilder verrenkt, ihre Gesichter extremer verzerrt.

Der Moriskentanz am Goldene Dachl entstand rund fünfzehn Jahre nach den Münchner Tanzfiguren. Erasmus Grasser arbeitete um diese Zeit in Schwaz, nicht weit von Innsbruck entfernt. Doch den königlichen Auftrag erhielt ein einheimischer Künstler. Vielleicht reichte Grassers Ruhm nicht bis an Maximilians Hof.

Vielleicht gaben die Münchner Morisken das Vorbild für das Innsbrucker Bildwerk. Der spätere Kaiser, der häufig in München zu Besuch war, muss die Figuren im Tanzhaus dort gekannt haben. Im Jahr 1489 wurde in München zu Ehren Maximilians ein großer Ball gegeben - und dabei „zum tantz (ge)pfiffen“.

Von seinem Balkon aus wohnte der edle Gast dem Schauspiel in gebührender Höhe bei. Und doch hielt er sich ständig inmitten seiner Moriskentänzer auf: An der Brüstung des Balkons ist der Monarch dauerhafter Teil der Tanzgesellschaft - portraitecht in Sandstein gemeißelt, in doppelter Gestalt.

Die Mächtigen umgaben sich immer schon gern mit Kreativen. Im Münchner Tanzhaus hinter verschlossenen Türen, andernorts in aller Öffentlichkeit. Wenn König Maximilian I. in Innsbruck weilte, ließ er Turniere austragen und Morisken tanzen - auf dem Stadtplatz vor seiner Residenz.

Zu Beginn der Neuzeit galten für die Kunst neue Regeln. Wie zuvor diente sie Politik, Kirche und Gesellschaft. Doch jetzt durften Kunstwerke auch bloß gefallen. Kenner und Sammler aus allen Ständen begeisterten sich für Qualität, Virtuosität und Originalität.

Ob weltliche oder sakrale Kunst: Figuren der Kleinplastik genossen den größten Freiraum. Aus Bronze geformte Narren bevölkerten fürstliche Kronleuchter, geschnitzte Moriskentänzer zierten frommes Kirchengestühl.

 

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