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Zweiter Raum

Für größere Aufträge benötigte Grasser eine größere Werkstatt. Den Heilig-Kreuz-Altar für die Pfarrkirche in München-Ramersdorf fertigte Grasser 1482 gemeinsam mit mehreren Gehilfen an.

Um 1490 oder später schuf das Grasser-Atelier ein umfangreiches Skulpturenprogramm für den neuen Hochaltar der Pfarrkirche St. Peter. Die Sitzfigur des hl. Petrus hat sich als einziges Stück erhalten.

Um 1502 war das Chorgestühl für die neue Münchner Frauenkirche fertiggestellt. Es enthielt mindestens 170 figürliche Teile. Einige der erhaltenen Büsten deuten auf Serienfertigung in einem rationell organisierten Betrieb.

Kaum hatte sich Grasser etabliert, erhielt er mit der Ausstattung des Tanzhauses des Münchner Rathauses den bedeutendsten Bildhauer-Auftrag der Stadt. Schon 1477 hatte er elf Wappen, Sonne und Mond vollendet. Laut Stadtkammerrechnung wurde er am 14. August 1480 für die restlichen Skulpturen bezahlt: 16 “pilden maruschka tanntz”, Figuren für einen Moriskentanz.

Erasmus Grasser festigte in den folgenden Jahren seinen Ruf als erstklassiger Bildhauer. 1480 schnitzte er Standbilder für die herzogliche Kirche in München-Pipping. 1482 ist das Wandepitaph (Gedenkstein) für Dekan Dr. Ulrich Aresinger in der Pfarrkirche St. Peter in München vollendet. Es ist sein einziges signiertes Werk.

Nur wenige Dokumente bezeugen den erstaunlichen Lebensweg Erasmus Grassers. Ob er vielleicht über seine Familie mit dem Bildhauerhandwerk verbunden war, ist nicht bekannt. Es scheint, dass er seine Karriere aus eigener Kraft erarbeitet hat.

Er wurde vermutlich um 1450 in Schmidmühlen bei Burglengenfeld in der Oberpfalz geboren. Es kommen nur wenige Orte in der Umgebung in Frage, wo Bauhandwerk und Bildhauerei auf hohem Niveau zu erlernen waren. Vielleicht ging er an die Dombauhütte in Regensburg. Seine Lehr- und Wanderjahre hatte er wohl bis 1473 abgeschlossen.

1475 wird Erasmus Grassers erstmals urkundlich erwähnt. Es ist die vergebliche Eingabe der Münchner Meister an den Rat der Stadt, um seine Zunftaufnahme zu verhindern. Zwei Jahre später war er bereits selbständiger Meister und konnte heiraten.

In einer Urkunde von 1507 wird Grasser erstmals als “paumeister” bezeichnet. Schon früher bewies er sich als Architekt von Rang: Seit 1487 plante er den Neubau des Benediktinerklosters von St. Gallen in Rorschach. 1490 erweiterte er die Kirche der reichen Silberbergwerksstadt Schwaz in Tirol. Bis zu seinem Tod leitete er die Sanierung der Saline Reichenhall, eine der wichtigsten Einnahmequellen der bayerischen Herzöge.

Um 1473 war seine Wanderzeit beendet. Nur zwei Jahre später erhielt er den prestigeträchtigsten Auftrag, den die Stadt München zu vergeben hatte: das Bildprogramm für das Münchner Tanzhaus (1477) bis 1480). Er löste die anspruchsvolle Aufgabe souverän. Stadt, Klerus und Adel schätzten ihn seither als Spezialist für das Neuartige, Schwierige und Ausgefallene.

Über seine Ausbildung wissen wir wenig. Ging er zur Lehre nach Regensburg? An der Dombauhütte könnte er neben Skulptur auch Baukunst und Mechanik erlernt haben. Ähnlich wie sein Zeitgenosse Leonardo da Vinci war Erasmus Grasser ein Multitalent: Bildhauer, Architekt, Ingenieur und Maschinenkonstrukteur in einer Person.

Nicht nur Grassers Arbeiten, auch seine Preise waren überregionale Spitze. So betrug das Honorar für die ursprünglich 16 Münchner Moriskentänzer 150 Pfund - dies entsprach damals dem Gegenwert von 50 Kühen oder 1042 Schafen.

Der Widerstand der Münchner Zunftkollegen war vergeblich: 1477 erhielt Erasmus Grasser den Meistertitel. Mehrfach wurde er als Zunftvorsteher gewählt. 1490 zählte er als einziger Künstler zu den 30 wohlhabendsten Bürgern Münchens. Ab 1512 gehörte er dem Äußeren Rat an. Es war das höchste politische Amt, das ein Mitglied einer Handwerkszunft erreichen konnte.

Wer war der geniale Ruhestörer? Wenig ist überliefert: geboren wohl um 1450 im Marktflecken Schmidmühlen in der Oberpfalz, gestorben 1518 in München. Über seine Eltern wissen wir nichts. Um das Jahr 1477 heiratete er Dorothea Kaltenprunnerin aus vermögendem Haus. Möglicherweise waren der Maler Hans und ein gewisser Stephan Grasser seine Söhne.

Und wirklich: Grasser trat in der bayerischen Metropole bemerkenswert selbstbewusst auf. Er begehrte beim Rat nicht nur die Anerkennung als Zunftmeister, sondern auch die Befreiung von Steuer und Wachtgeld - ein Privileg für hervorragende Künstler. Das Zunft-Establishment sorgte sich um seine führende Stellung - wie sich zeigen sollte, zu Recht.

 

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