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Zweiter Raum

Ähnlich wie Grasser bildete auch Jan Polack einprägsame Markenzeichen aus. Er malt Kreuzigungen und Martyrien detailreich aus. Figuren verrenken grotesk ihre Glieder. Schergen und Soldaten ziehen abstoßende Grimassen. Mit sadistischer Lust verrichten sie ihr grausames Werk.

Der Maler Jan Polack hatte viel mit Erasmus Grasser gemeinsam. Beide kamen von auswärts und setzten sich in München durch. Sie arbeiteten mehrfach zusammen, denn ihre Kunstauffassung stimmte überein. Beide stellten starken Ausdruck und klare Handlung vor naturgetreue Darstellung.

Trotz seiner führenden Stellung - nicht immer musste es Grasser sein. In der Schlosskirche Blutenburg kam ein anonymer Konkurrent zum Zug. Die zwölf Apostel sind perfekt geschnitzt. Bei aller Eleganz wirken die Figuren jedoch stilisiert und ausdrucksarm.

Erasmus Grassers Vielseitigkeit war unerreicht. Wenn nötig, übertrug er Motive aus der Druckgrafik in Bildhauerei. Doch nur wenige Werke reichten später noch an die Qualität der Moriskentänzer heran. Es scheint, als erledigte der Meister nur noch ausgewählte Aufträge mit eigener Hand.

Erasmus Grasser beschäftigte in seiner Werkstatt keine Maler. Waren bei großen Altären auch Tafelbilder gefordert, kooperierte er mit einheimischen Meistern wie Jan Polack. Ob Bildhauer oder Maler – wer die künstlerische Leitung in solchen Arbeitsgemeinschaften hatte, ist nicht bekannt.

Künstlerische Ökonomie zahlte sich schon damals aus. Bei Großaufträgen bewies die Grasser-Werkstatt hohe Leistungskraft. Ob Altarwerke und Chorgestühl: Grasser und Gesellen schnitzen Evangelisten und Propheten in kurzer Zeit und großer Zahl. Häufig standen dafür die Moriskentänzer Modell.

Erasmus Grasser übernahm vom Niederländer Nikolaus von Leiden das Prinzip der verschränkten Bewegung. Von allen bayerischen Bildhauern verwendete er es am konsequentesten. Sogar sein thronender Petrus streckt ein Bein nach vorne, den Fuß geziert zur Seite gedreht.

Grassers Werkstatt arbeitete mit einem festen Repertoire von Typen und Formen. Jede Figur ist einprägsam mit drastischen Mitteln charakterisiert. Mimik und Gestik sind stets ausdrucksstark. Figurentypen wiederholen sich. Manche Moriskentänzer wirken wie Verwandte von Grassers Heiligen.

Gewänder bilden scharfe Falten, Säume sind schwungvoll bewegt. In jedem Detail spiegelt sich der Charakter ihrer Täger. Typisch die Physiognomie: Die Nase ist meist kräftig entwickelt, das Kinn nach vorne geschoben. Die Oberlippe ist schmal, der Adamsapfel stark betont. Falten graben sich tief ins Gesicht. Alle Figuren haben auffallend lebhafte Augen.

Einheimische und zugereiste Künstler bewarben sich in München um die lukrativen Aufträge von Herzoghaus, Kirche und Bürgerschaft. Um 1510 arbeiteten in der Stadt etwa sieben Bildschnitzer. Die große Konkurrenz erforderte geschicktes Marktverhalten. Jeder Künstler entwickelte einprägsame Markenzeichen.

Unterschiede der künstlerischen Handschrift zeigten sich vor allem in Körperhaltung, Pysiognomie und Ausstattung der Figuren. Aufwändig gestaltete Gewänder verliehen den Figuren Würde und Zier. Der Schwung der Falten steigerte den Ausdruck. Gold und Farbe veredelten die Skulptur und erhöhten ihre plastische Wirkung.

Der anonyme Münchner Meister der Blutenburger Apostel schuf wohl proportionierte, feingliedrige Figuren mit milden Gesichtern. Sie waren geeignet, einem intimen Kirchenraum einen zurückhaltend vornehmen Rahmen zu verleihen. Waren hingegen Figuren mit markantem Ausdruck gefragt, die auch aus größerer Distanz noch wirken mussten, wandten sich die Auftraggeber vermutlich eher an Eramus Grasser.

Herzöge und Bürgerschaft finanzierten gemeinsam die neue Frauenkirche. Es war das bis dahin größte Münchner Bauvorhaben. Nach nur zwanzig Jahren Bauzeit wurde die monumentale Kirche 1494 geweiht. Der Innenraum bot reichlich Platz für Repräsentation - für bürgerliche Zunftkapellen ebenso wie für das wittelsbachisch-kaiserliche Grabmal Ludwigs des Bayern.

Die Betriebe der Münchner Meister waren viele Jahre ausgelastet. Erasmus Grasser stattete 1477-1480 das neue Tanzhaus aus. Zwanzig Jahre später schnitzte seine Werkstatt für das Chorgestühl der neuen Frauenkirche Heerscharen von Propheten und Heiligenfiguren. Gleichzeitig fertigte sie das Figurenprogramm für den Hochaltar der Peterskirche.

Bei Bedarf engagierten die Auftraggeber auswärtige Künstler. Die Deckplatte für das Kaisergrabmal Ludwigs des Bayern schuf ein fremder Meister. Auch ältere Werke kamen wieder zu Ehren: Den Hochaltar für die Frauenkirche hatte der Münchner Gabriel Angler fünfzig Jahre zuvor gemalt.

Bayerns Herzöge strebten im 14. und 15. Jahrhundert nach europäischer Geltung. Neue Städte wurden gegründet. Die Kunst boomte. Kaufleute finanzierten große Kirchenbauten und kostbare Altarwerke.

München entwickelte sich spät, aber dynamischer als andere bayerische Städte. Frauenkirche, dreizehn kleinere Kirchen, ein neues Rat- und Tanzhaus, zwei neue Schlösser: Herzöge und Bürger förderten die Stadt nach Kräften.

Architekten, Maler und Bildhauer erhielten reichlich Arbeit. Kirchen wurden prachtvoll ausgestattet. Flügelaltäre trugen zahlreichen Bildtafeln, Figuren und vergoldetes Schnitzwerk. Bürger stifteten Kapellen und private Andachtsbilder. Künstler kamen zu Wohlstand und Ansehen.

 

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