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Dritter Raum

BILD: Rathaus, alter Stich 1701
oder BILD: Bürgerliche Zuschauer: Meckenem

ÜS: Bürger und Morisken

(1) Zu Beginn der Frühen Neuzeit waren die Stadtbürger und der Landesherr Verbündete gegen den mittelalterlichen Provinz- und Landadel. Auch ihre Festivitäten ähnelten sich: Moriskentänzer waren eine teure Attraktion für öffentliche Feste, die sich ein reicher Nürnberger Bürger A ebenso leistete wie der Habsburger König und spätere Kaiser Maximilian in Innsbruck. A

(2) Die Münchner Morisken im alten Rathaus markieren einen besonderen Ort, an dem sich für einige Jahrzehnte Bürger und Hochadel auf Augenhöhe begegneten. Ähnliches gilt für die Innsbrucker Morisken, die fast zeitgleich entstanden.

(3) Ein Feld des Innsbrucker Moriskentanz, der dort als Relief das berühmte Goldene Dachl A ziert, zeigt als Zuschauer auf dem Königsbalkon einen Narren und einen Patrizier. Das Wappen des Bürgers wurde später getilgt – zu einer Zeit, als auch die Moriskentänze aus der Mode gekommen waren.

... BILD: 2x Maximilian in Innsbruck

(1) Das mittelalterliche Rollenverständnis der Fürsten war um 1500 brüchig geworden. Die neuen Landesherren nahmen wie der Wittelsbacher XXXXX einen festen Wohnsitz in den Städten, bauten ihre Macht auf das Geld der Bürger und bekämpften den alten Feudaladel.

(2) Auf der Innsbrucker Darstellung des Moriskentanzes ist der spätere Kaiser Maximilian zweimal zu sehen: Einmal in der mittelalterlichen Pose des Königs, der nun aber zwischen Bürger und Narr thront. Und daneben in lebendigerer Pose, gewissermaßen als Privatperson: mit der zweiten Frau, die er aus Staatsraison heiratete, und seiner verstorbenen ersten Frau, die er weiterhin liebte.

(3) Und auch für andere Darstellungen des Moriskentanzes ist das gemischte Publikum typisch: Die Grenzen zwischen dem Fürsten, den Patriziern und den gemeinen Bürgern fallen nicht, aber sie scheinen vorübergehend durchlässig zu werden.

... 1.310
BILD: Hochzeit
ÜS: Ein bürgerlicher Prestigebau

(1) Die Münchner Morisken wurden 148X für das tanntzhauß gefertigt, den großen Saal im ersten Stock, der das Zentrum des neuen Rathauses bildete. Der repräsentative Neubau entstand zeitgleich mit der Frauenkirche (1470 – 1490). Beide Prachtbauten dokumentierten das neue Selbstbewusstsein der Bürgerschaft am Übergang zur frühen Neuzeit.

(2) Das tanntzhauß war ein politischer Ort. Hier hielten die Bürger nicht nur große Feste, sondern auch alle wichtigen Versammlungen ab. Doch auch die Wittelsbacher Landesherrn erhielten hier Obdach für ihre Fest- und Staatsakte: Sie ließen sich erst allmählich in der großen Stadt nieder und unterhielten dort noch gar keine große Residenz.

(3) Und so kam es, dass bei der Fürstenhochzeit von 15XX, als Wilhelm von Lothringen Renate von XXX ehelichte, die XXXX Moriskentänzer, Leute von niedrigstem Stand, von ihren Podesten auf die hochadelige Gästeschar herunterblickten.

Zur möglichen maurisch-spanischen herkunft des moriskentanzes bzw. starken einflüssen habe ich interessante hinweise gefunden in dem buch von W. Montgomery Watt: Der Einfluß des Islam auf das europäische Mittelalter (1972/1988). Arabisch-islamische kultur wurde in christlich-abendländischen kreisen sowohl bewundert als auch verteufelt: Kunst des "angenehmen lebens" vs. "hemmungslose Genussucht" - dazu gehören sexuelle Ausschweifungen wie vielehe und sex mit tieren (!). die kunst des angenehmen lebens war im wesentlichen ein urbanes leben und war angewiesen auf städte, in denen recht und ordnung herrschte und wo eine größere anzahl von menschen friedlich zusammenlebten.

der "morris dance" (vgl. WMM, S. 33) sammt musikbegleitung entstammt angeblich direkt der spanisch-mozarabischen kultur: die arabische musikpraxis zeichnet sich durch spiel und gesang aus, die durch die spielleute in europa verbreitet wurden. flöten und trommeln/tamburins sind für arabische musikpraxis charakteristisch, die musik sollte häufig die ekstase fördern und spielte bei kriegerischen anlässen eine große rolle. "Die englischen morris dancers (d.h. maurische tänzer) treten mit steckenpferd und schellen auf und erinnern so noch heute an die arabischen spielleute."

1.3 IM TANNTZHAUS (PRÄSENTATION!)

Text dazu: Die vier Hauptpunkte, denen eigene „Räume“ gewidmet sind, in jeweils vier Absätzen kurz skizziert: (Hier nur sehr roh, inhaltlich):

ad 1.31 Die Moriskenfiguren wurden als Schmuck für das alte Rathaus gefertigt, dessen repräsentatives Zentrum das „Tantzhauß“ bildete. Im Tanntzhauß wurden damals bürgerliche Feste und höfische Festakte veranstaltet: Die Wittelsbacher ließen sich jetzt erst in der Stadt nieder und hatten noch gar keine eigene Residenz. Die Bürger, die zusammen mit dem neuen residierenden Landesherrn die Kernkonstellation der Frühen Neuzeit bildeten (?), boten dem Fürsten quasi „Obdach“, bis im Lauf des 16. jahrhunderts eine reräsentative Residenz entstand (dasselbe in Innsbruck). Während unten die Fürsten (Hochzeit) und die Bürger tanzten (was?), standen oben auf ihren Simsen die Morisken.

ad 1.32 Symbolische Bedeutung im Ensemble: Gestirne, Wappen 1, Wappen 2, ekstatisch tanzendes Volk in übertriebenen „höfischen“ bzw. phantastisch-orientalischen Kostümen: Die Morisken sind Teil eines gestalteten Ganzen. Es umfasst außerdem: Sonne und Mond (Decke = Firmament), dazu die Wappen der Wittelsbacher und aller Verwandten und zweimal das Stadtwappen als „Sterne“. Auf gleicher Höhe mit den Morisken ein heraldischer Fries mit 99 z.T. phantastischen Wappenschilden, die den Anspruch des Heiligen Römischen Reichs visualisieren. Welche Rolle spielen aber die Moriskentänzer am „Himmel“, mitten unter den fürstlichen Wappen, die ja einen „niedrigen“ Tanz aufführen, der eine (teure) Volksbelustigung war und von fahrendem Volk (Profitänzern) aufgeführt wurde?
vgl. Innsbruck/München: Ort=Festplatz/Tanzsaal, wo sich Bürger und Landesherr begegnen > Gestirne und Wappen > unter dem Himmel: Fürst und Bürger (mit gelöschtem Wappen) > Morisken als zum „Sternbild“ erhobene Niedere > unten die Tänzer und das Volk

ad 1.33 Die Moriskentanzwut: Zwischen ca. 1470 und 1560 tobte eine regelrechte Moriskentanzwut durch ganz Europa. Ein wilder, ekstatischer Tanz in aufwändigen Kostümen, von fahrenden Profitänzern aufgeführt, Höhepunkt besonders teurer und exklusiver Feste. Dokumentiert durch Stadtbuch (Nürnberg) und durch diverse Bildwerke: Neben München noch Innsbruck und mehrere Kupferstiche ((am besten als Dia-Galerie getrennt ablegen, die jeweils von geeigneter Stelle aus angesteuert werden kann)).
Morris Dance in England. Vielleicht sogar der spätere Schäffler-Tanz noch davon beeinflusst (???).
Wichtig: Aufgeführt im Zentrum der Stadtkultur, auf zwei Darstellung mit fürstlichen Zuschauern (vom Balkon), dazu jeweils Bürger und niedriges Volk: Also alle Bewohner der Residenzstadt.
Maximilians Feste in Innsbruck. Goldenes Dachl. >> Ähnlich im Münchner Tanntzhauß.

ad 1.34 Die Morisken-Symbolik: Die Morisken begeisterten die Leute durch den wilden ekstatisch-erotischen Tanz: Begnadete Körper. Aber diese Darbietung war eingebunden in ein symbolisches Programm: Hier wurde ein Ventil geöffnet für das, was sonst reguliert war (vgl. Fassnacht, Narren-Figur).
Die Morisken tanzten um FRAU WELT (die auf vielen Darstellungen zu sehen ist) und dem besten, d.h. groteskesten Tänzer einen goldenen Apfel (oder dgl.) schenkt. Die Tänzer sind also heillos Weltliche, die sich spreizen und wild aufführen (abwertend). Zugleich wurde die Frau Welt aber in Innsbruck von der Frau des Kaisers dargestellt! Gerade in München sind auch die Tänzer sehr würdevoll, graziös-kunstvoll tanzend und nicht-grotesk dargestellt (es gibt 2 Typen von Darstellungen: gehoben und karikierend), im Gegensatz zu den Paroxysmen in Innsbruck, dort auch „SEX“ Hauptthema (Hunde und Affen mit erigiertem Glied, hervorgehobene Penis-Taschen bei der Tänzertracht). In Innsbruck sind die groteskesten Tänzer in der Nähe des Kaisers, die „würdevolleren“ AM WEITESTEN (AN DEN Seiten des Balkons).

Das alles ist FRAGEND zu formulieren: Es gibt hier nur fundierte Fragen, keine eindeutigen antworten.

Jede Hauptseite im Ausstellungsteil hat eine knappe Zusammenfassung der Thesen und zeigt ein ganzes Bild als Kunstwerk. Es gibt jeweils einen „Vertiefungs“-Link: der führt zu „gespiegelten“ Seiten mit derselben Thematik, nun aber mit mehr Text und mit bearbeiteten Bildern, etwa herausvergrößerten Details/Problemstellen.

Jeder der vier Unterpunkte zerfällt in Hauptscreen und zwei „Nebenobjekte“:

1.310 Im Tanntzhauß: Fürstenhochzeit, Stich >> Vertiefung: Schnittstelle Bürger/Landesherr (vs. MA-Adel) als Ausgangspunkt für frühneuzeitliche „Staaten“ mit Residenzstadt; ZWISCHENZUSTAND
1.311 Rathaus, alter Stich 1701: Der Bau des Rathauses >> neue Rolle der Bürger
1.312 Die Fürsten (Typ: Maximilian) als Untermieter >> die neuen Fürsten und ihr Selbstverständnis

1.320 Gestirne und Wappen: Das Gesamtensemble; Beschreibung > Deutung
1.321 Die Gestirne und die Wittelsbacher-- Beschreibung > Deutung
1.322 Die Wappen und das Reich Beschreibung > Deutung

1.330 Moriskentanzwut: dokumentierte Aufführungen, Welle durch Europa: Morris Dance; Bild: Meckenem mit Zuschauern.
Die dünnen Fakten zusammengefasst: was man weiß > Vertieft und problematisiert (was man alles nicht weiß)

1.331 Herkunft: FREMDE, „Morisken“, was hieß das? (Groteske Fremde, zugleich Verzerrungen des Bekannten: „der Bauer“. In vielen Tänzen SIND gar keine „Morisken“, sondern normale Europäer in europäischer Tracht)
andererseits: Faszination für „phantastische Kostüme“
Umgekehrt ist der spanische Tanz der Morisken (Weiditz) sicher kein „Moriskentanz“
Weiß man irgendwas darüber, dass die Innsbrucker „Morisken“ hießen??

1.332 Fassnacht, verkehrte Welt, ekstatische Feste. AFFEN und Hunde (Innsbruck, Dürer, …), NARR
Bild suchen für „Fassnacht“ mit ähnlicher Ikonographie

1.340 SYMBOLBEDEUTUNG: (BILD von Schön) Überall, außer in München Kernkonstellation: Frau Welt, der Narr, der sie anbetet, die Hunde (=Sex), der Pfeifer (= leidenschaftliche Musik).
Aber hochästhetische Darbietung, aufwändige Bilddarstellungen, exklusiv-teuer, aufwändige und exotische Kostüme (= verfeinerter Geschmack auch der Zuschauer!!), prestigereiche Zuschauer selbst dargestellt (nicht etwa: derbes Volksfest)
>> Vertiefung: fehlende Figuren, aber hervorgehoben sowieso die Tänzer selbst, die also aufgewertet und aus dem ursprünglichen Zusammenhang gerissen sind (gilt das auch für ihre symbolische Repräsentation??)

1.341 Die Tänzer, Bedeutung 1: (Innsbruck, HL: sexualisiert) Derbe Narren, Fassnacht: Schließen sich dem Narren an, der alles kommentiert. Führen sich auf, machen sich zum Narren für Frau Welt. Sexuell erregt.
Darstellungen, Variante 1: Allegorie
vs. Variante 2: Spektakel mit Zuschauern

1.342 Die Tänzer, komplexe Bedeutung 2: Graziöse Figuren, Edle Kostüme, Höfische und gehobene Zuschauer: Es geht offenbar um den zugespitzten und zugleich irgendwie ästhetisch „aufgehobenen“ KONTRAST (eigentlich Sex/Fleisch vs. Moral, sozial niederes Volk vs. gehobene Schicht, städtisch-kulturell: Grenzlinie UND Schnittstelle zwischen Oben und Unten: sowohl Körper/Hochkultur als auch Bürger/Hof+Adel)
Inwiefern repräsentieren die Tänzer einen Querschnitt der viel offeneren/ungeregelteren Übergangsgesellschaft MA/Neuzeit (so wie mittelalterlich strenger die Totentänze??), vielleicht auch gar nicht konkret, sonder eher phantastische Bandbreite (Mohr …)

 

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