Dritter Raum
Um 1500 zog es die neuen Fürsten in die Stadt. Vorbilder waren italienische Potentaten in Mantua oder Mailand - Verwandte der bayerischen Wittelsbacher. Mit dem Geld reicher Kaufleute bekämpften die Landesfürsten den alten Feudaladel und simulierten den Glanz vergangener Ritterseligkeit.Ein Holzschnitt aus der Zeit um 1520 zeigt einen König, umgeben von seinem feudalen Hofstaat. Zu seiner Linken aber sitzt ein Patrizier, er scheint ihm am nächsten zu stehen. Fast sieht es so aus, als frage der Monarch den Kaufmann um Rat. [Abb. HL 1520, JMM 43] Eine neue Zeit regiert. Könige zahlen Kreditzinsen und entdecken sogar die bürgerliche Liebe. Am „Goldenen Dachl“ in Innsbruck (um 1500) zeigt sich der spätere Kaiser Maximilian I. den Innsbruckern mit seiner zweiten Frau, geheiratet aus Staatsräson - direkt daneben seine erste Gattin, die der König weiterhin liebte. [Abb. Goldenes Dachl, JMM 49]
Erasmus - am Sa, 04. Dezember 2004, 17:05 - Rubrik: Dritter Raum
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Der Münchner Rat ließ die Morisken für das „tanntzhauß“ fertigen. So ungewöhnlich dies heute klingt: Hier schlug das Herz des neuen Rathauses (heute das „Alte Rathaus, das von 1474 bis um 1480 errichtet wurde [Abb. Stich M. Wening, 1701). Wie die Frauenkirche (erbaut 1468-1494), drückte der profane Prachtbau das neue Selbstbewußtsein der Bürgerschaft am Übergang zur frühen Neuzeit aus. Ein Tanzsaal als Bühne der Macht? Im späten Mittelalter war dies kein Widerspruch. Hier feierte das Patriziat sich selbst - bei rauschenden Festen und würdigen Versammlungen des Rats. Es war ein glanzvoller Mehrzweckbau: Auch die Wittelsbacher Landesherrn fanden hier Obdach für Fest- und Staatsakte.Die bayerischen Herzöge waren in München noch nicht sesshaft. Erst hundert Jahre später unterhielten sie ihre Residenz. Als Wilhelm V. 1568 Renata von Lothringen ehelichte, fanden sich die adeligen Hochzeiter im Tanzsaal ein. Und so kam es, dass Moriskentänzer von niederem Stand von ihren Podesten herabblickten auf eine erlauchte Gästeschar.
Erasmus - am Sa, 04. Dezember 2004, 17:04 - Rubrik: Dritter Raum
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Was wäre eine Tanzdarbietung ohne ein Publikum? Oft betrachten Höflinge oder Bürger das Spektakel durch ein Fenster oder von der Galerie herab. Scheinbar in sicherer Entfernung, doch auch sie sind in Gefahr, jederzeit von der Sünde ergriffen zu werden. [2 Abb.: Meckenem Geisberg 383, um 1470, JMM 39, und HL 1520, JMM 43]
Manchmal agieren die Figuren nicht in einem realen Raum, sondern sind in dornigem Gestrüpp gefangen - eine Allegorie für die Sündhaftigkeit ihres Treibens. [Abb.: Meckenem Geisberg 465, um 1490, JMM 40] Und doch findet auch dieser Tanz vor Zuschauern statt: es sind die Betrachter des Bildwerkes, die ihre eigene Standfestigkeit zu prüfen haben.
Sind die Morisken aus dem Münchner Rathaus Teil einer moralisierenden Allegorie oder fordern sie nur trivial auf zum Tanz? Vielleicht könnten die angeblich fehlenden sechs Figuren darüber Aufschluss geben, von denen das Stadtkammerbuch berichtet. Ohne sie bleiben es zehn rätselhafte Tänzer.
Manchmal agieren die Figuren nicht in einem realen Raum, sondern sind in dornigem Gestrüpp gefangen - eine Allegorie für die Sündhaftigkeit ihres Treibens. [Abb.: Meckenem Geisberg 465, um 1490, JMM 40] Und doch findet auch dieser Tanz vor Zuschauern statt: es sind die Betrachter des Bildwerkes, die ihre eigene Standfestigkeit zu prüfen haben.
Sind die Morisken aus dem Münchner Rathaus Teil einer moralisierenden Allegorie oder fordern sie nur trivial auf zum Tanz? Vielleicht könnten die angeblich fehlenden sechs Figuren darüber Aufschluss geben, von denen das Stadtkammerbuch berichtet. Ohne sie bleiben es zehn rätselhafte Tänzer.
Erasmus - am Fr, 30. Juli 2004, 0:10 - Rubrik: Dritter Raum
Obwohl die zentrale Figur, fehlt „Frau Welt“im Münchner Moriskentanz. Auf einer Handzeichnung (um 1510) [Abb. H.S.v.Kulmbach, JMM 42] tritt Sie als Hofdame auf, die sich kokett im Spiegel betrachtet - dem Symbol für „Superbia“, der schlimmsten aller Todsünden. In Innsbruck hält sogar die Königin den Apfel als Preis bereit: Eine Warnung an den Hochmut der Herrschenden?
Weitere wichtige Darsteller fehlen im Münchner Rathaus: Narr, Pfeiffer oder Trommler. Auf allen übrigen Tanzdarstellungen treiben Musikanten die Tänzer mit wilder Musik in ihr Verderben. Oft gesellen sich noch Hunde oder Affen dazu, Beispiele unkeuscher Triebhaftigkeit und Regellosigkeit. [Abb. Goldenes Dachl, JMM 57]
Narren mit Schellenkostüm und Eselskappe spielen unterschiedliche Rollen beim Moriskentanz. Eben noch Zuschauer in der Königsloge, mischt er sich das nächste Mal unter die Wetttänzer. Häufig empfängt er dabei den Siegespreis. Oder es sind alle Tänzer Narren, machen sie sich doch lächerlich bei ihrem verrückten Treiben.
Weitere wichtige Darsteller fehlen im Münchner Rathaus: Narr, Pfeiffer oder Trommler. Auf allen übrigen Tanzdarstellungen treiben Musikanten die Tänzer mit wilder Musik in ihr Verderben. Oft gesellen sich noch Hunde oder Affen dazu, Beispiele unkeuscher Triebhaftigkeit und Regellosigkeit. [Abb. Goldenes Dachl, JMM 57]
Narren mit Schellenkostüm und Eselskappe spielen unterschiedliche Rollen beim Moriskentanz. Eben noch Zuschauer in der Königsloge, mischt er sich das nächste Mal unter die Wetttänzer. Häufig empfängt er dabei den Siegespreis. Oder es sind alle Tänzer Narren, machen sie sich doch lächerlich bei ihrem verrückten Treiben.
Erasmus - am Do, 29. Juli 2004, 23:40 - Rubrik: Dritter Raum
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Obwohl die zentrale Figur, fehlt „Frau Welt“im Münchner Moriskentanz. Auf einer Handzeichnung (um 1510) [Abb. H.S.v.Kulmbach, JMM 42] tritt Sie als Hofdame auf, die sich kokett im Spiegel betrachtet - dem Symbol für „Superbia“, der schlimmsten aller Todsünden. In Innsbruck hält sogar die Königin den Apfel als Preis bereit: Eine Warnung an den Hochmut der Herrschenden?
Weitere wichtige Darsteller fehlen im Münchner Rathaus: Narr, Pfeiffer oder Trommler. Auf allen übrigen Tanzdarstellungen treiben sie die Tänzer mit wilder Musik in ihr Verderben. Oft gesellen sich noch Hunde oder Affen dazu, Beispiele unkeuscher Triebhaftigkeit und Regellosigkeit. [Abb. Goldenes Dachl, JMM 57]
Was wäre eine Tanzdarbietung ohne ein Publikum? Oft betrachten Höflinge oder Bürger das Spektakel durch ein Fenster oder von der Galerie herab. Scheinbar in sicherer Entfernung, doch auch sie sind in Gefahr, jederzeit von der Sünde ergriffen zu werden. [2 Abb.: Meckenem 1460, JMM 39 und HL 1520, JMM 42]
Weitere wichtige Darsteller fehlen im Münchner Rathaus: Narr, Pfeiffer oder Trommler. Auf allen übrigen Tanzdarstellungen treiben sie die Tänzer mit wilder Musik in ihr Verderben. Oft gesellen sich noch Hunde oder Affen dazu, Beispiele unkeuscher Triebhaftigkeit und Regellosigkeit. [Abb. Goldenes Dachl, JMM 57]
Was wäre eine Tanzdarbietung ohne ein Publikum? Oft betrachten Höflinge oder Bürger das Spektakel durch ein Fenster oder von der Galerie herab. Scheinbar in sicherer Entfernung, doch auch sie sind in Gefahr, jederzeit von der Sünde ergriffen zu werden. [2 Abb.: Meckenem 1460, JMM 39 und HL 1520, JMM 42]
Erasmus - am Do, 29. Juli 2004, 23:08 - Rubrik: Dritter Raum
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Moriskentänze sind höchst profanen Ereignisse, nie sind Vertreter der Kirche präsent. Doch ob belehrende Allegorie (Verbildlichung einer abstrakten Bedeutung) oder bildliche Erzählung: In allen bildlichen Darstellungen ist die christliche Morallehre ständig präsent.
In der Regel tritt ein festes Personal auf: im Zentrum eine schöne Preisrichterin, von Männergestalten mit derb-obszönen Gebärden umtanzt. Wer sich am kraftvollsten verrenkt, dem schenkt sie als Preis höchste irdische Freuden - symbolisiert durch einen Apfel oder einen Ring.
Es ist „Frau Welt“ - die verlockende Versuchung, die den Menschen ins Verderben führt. Der Apfel steht für die Todsünde, manchmal nehmen Dornen die unvermeidliche Bestrafung im Jenseits vorweg. [Abb. JMM 39: Israel von Meckenem, um 1460].
In der Regel tritt ein festes Personal auf: im Zentrum eine schöne Preisrichterin, von Männergestalten mit derb-obszönen Gebärden umtanzt. Wer sich am kraftvollsten verrenkt, dem schenkt sie als Preis höchste irdische Freuden - symbolisiert durch einen Apfel oder einen Ring.
Es ist „Frau Welt“ - die verlockende Versuchung, die den Menschen ins Verderben führt. Der Apfel steht für die Todsünde, manchmal nehmen Dornen die unvermeidliche Bestrafung im Jenseits vorweg. [Abb. JMM 39: Israel von Meckenem, um 1460].
Erasmus - am Do, 29. Juli 2004, 22:13 - Rubrik: Dritter Raum
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Moriskentänze haben zumeist ein festes Personal: im Zentrum eine schöne Preisrichterin, von Männergestalten mit derb-obszönen Gebärden umtanzt. Wer sich am kraftvollsten verrenkt, dem schenkt sie als Preis höchste irdische Freuden - symbolisiert durch einen Apfel oder einen Ring.
Es ist „Frau Welt“ - die verlockende Versuchung, die den Menschen ins Verderben führt. Der Apfel steht für die Todsünde, Dornen nehmen die unvermeidliche Bestrafung im Jenseits vorweg. [Abb. JMM 39: Israel von Meckenem, um 1460].
Nur in München fehlt das übrige Stammpersonal: Narr, Pfeiffer oder Trommler. Sie treiben die Tänzer mit sündiger Musik in ihr Verderben. Manchmal betrachten Höflinge oder Bürger die Szenerie von der Galerie.
Es ist „Frau Welt“ - die verlockende Versuchung, die den Menschen ins Verderben führt. Der Apfel steht für die Todsünde, Dornen nehmen die unvermeidliche Bestrafung im Jenseits vorweg. [Abb. JMM 39: Israel von Meckenem, um 1460].
Nur in München fehlt das übrige Stammpersonal: Narr, Pfeiffer oder Trommler. Sie treiben die Tänzer mit sündiger Musik in ihr Verderben. Manchmal betrachten Höflinge oder Bürger die Szenerie von der Galerie.
Erasmus - am Do, 29. Juli 2004, 20:57 - Rubrik: Dritter Raum
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Der Kaiser war oberster Lehnsherr. Deshalb größer als alle übrigen Wappen: der Doppeladler mit Rautenschild, das Abzeichen Ludwigs des Bayern. [Abb. JMM 73] Er war der erste Wittelsbacher auf dem Kaiserthron. Das Kaisertum als bayerischer Herzogtraum?
Ein Stockwerk unter dem hölzernen Himmel: Ein Fries mit 99 Wappenschilden, teils real und teils phantatstisch. Das Heilige Römische Reich umfasst die ganze Welt. Dazwischen tanzen die Morisken. [Abb. JMM 75]
Es ist ein Rätselspiel. Sonne und Mond, Herzöge und Kaiser, Land und Reich, Bürger und Morisken. Noch regiert das alte Reich. Doch die Zeichen deuten in die neue Zeit: Territorien und Städte greifen nach den Sternen.
Ein Stockwerk unter dem hölzernen Himmel: Ein Fries mit 99 Wappenschilden, teils real und teils phantatstisch. Das Heilige Römische Reich umfasst die ganze Welt. Dazwischen tanzen die Morisken. [Abb. JMM 75]
Es ist ein Rätselspiel. Sonne und Mond, Herzöge und Kaiser, Land und Reich, Bürger und Morisken. Noch regiert das alte Reich. Doch die Zeichen deuten in die neue Zeit: Territorien und Städte greifen nach den Sternen.
Erasmus - am Do, 29. Juli 2004, 15:48 - Rubrik: Dritter Raum
Nichts geringeres als der universelle Machtanspruch des regierenden Landesherrn Wilhelm IV. ist da über das weite Tonnengewölbe des Tanzsaals ausgebreitet. Raute, Doppeladler und gleich zweimal das Mönchswappen. Gemeinsam mit Landesherr und Bayernkaiser teilt sich die Bürgerstadt den Himmel.
Sonne, Mond und Sterne leuchten über den prächtigen Wappenschilden. [Abb. JMM 69 und 70] Die staatliche Ordnung ist gottgewollt. Doch das mittelalterliche Feudalwesen war schon ein Auslaufmodell - stolze Herrscher regierten moderne Staaten. Wappen und Stammbäume waren in Mode, Ritterspiele ein beliebter Zeitvertreib.
Die Wittelsbacher strebten zu europäischer Macht. Gonzaga aus Mantua und Visconti aus Mailand [Abb. JMM 64] - die Wappen der illustren Verwandtschaft blühen als Statussymbole im Rankwerk des Gewölbes.
Sonne, Mond und Sterne leuchten über den prächtigen Wappenschilden. [Abb. JMM 69 und 70] Die staatliche Ordnung ist gottgewollt. Doch das mittelalterliche Feudalwesen war schon ein Auslaufmodell - stolze Herrscher regierten moderne Staaten. Wappen und Stammbäume waren in Mode, Ritterspiele ein beliebter Zeitvertreib.
Die Wittelsbacher strebten zu europäischer Macht. Gonzaga aus Mantua und Visconti aus Mailand [Abb. JMM 64] - die Wappen der illustren Verwandtschaft blühen als Statussymbole im Rankwerk des Gewölbes.
Erasmus - am Do, 29. Juli 2004, 15:46 - Rubrik: Dritter Raum
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Wild tanzen und springen sie umher: über den Morisken das Firmament, unter ihnen irdisches Treiben. [Abb. JMM 71] Mit Sonne, Mond und Sternen symbolisiert das weite Holzgewölbe die Himmelsphäre. In seinem Zentrum die Wappen von Kaiser, Fürsten und der Stadt München. Zwischen den Tanzfiguren reihen sich weitere Adelswappen. [Abb. JMM 75]
Wie konnten sich nur die anmaßenden Narren mitten unter die edlen Geschlechter und himmlische Gestirne mischen? Haben sich die bürgerlichen Hausherren etwa einen derben Scherz erlaubt, zur Belustigung ihrer Gäste oder gar auf Kosten ihrer adeligen „Untermieter“?
Es öffnet sich die Bühne für das große Welttheater der frühen Neuzeit. Die Morisken spielen nur die ihnen zugewiesene Rolle. Im lasterhaften Modegewand erinnern sie die irdischen Machthaber, selbst nicht ihr Heil und ihre Würde zu verspielen.
Wie konnten sich nur die anmaßenden Narren mitten unter die edlen Geschlechter und himmlische Gestirne mischen? Haben sich die bürgerlichen Hausherren etwa einen derben Scherz erlaubt, zur Belustigung ihrer Gäste oder gar auf Kosten ihrer adeligen „Untermieter“?
Es öffnet sich die Bühne für das große Welttheater der frühen Neuzeit. Die Morisken spielen nur die ihnen zugewiesene Rolle. Im lasterhaften Modegewand erinnern sie die irdischen Machthaber, selbst nicht ihr Heil und ihre Würde zu verspielen.
Erasmus - am Do, 29. Juli 2004, 15:45 - Rubrik: Dritter Raum
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