Im 15. Jahrhundert blüht die Volksfrömmigkeit. Wallfahrten versprechen wundersame Heilung. Zahlungskräftige Gläubige erkaufen Ablass von ihren Sünden. Der große Bedarf an Schnitzaltären, Heiligenfiguren und Grabmälern beschert auch bayerischen Malern und Bildhauern reiche Aufträge. Erasmus Grasser sicherte sich die interessantesten Aufträge im altbayerischen Raum. Wie kein zweiter konnte er Lindenholz in Figuren mit Charakter, Gemüt und Temperament verwandeln. [Abb.: Maria und 12 Apostelfiguren des ehem. Salzburger Hochalters, um 1480: Darstellung des schwierigen Themas des Pfingstwunders] Dabei schöpfte er aus einem Repertoire an Typen, das er mit den Morisken meisterhaft entwickelt hatte. So wirkt mancher Scherge oder Prophet aus einem Altarwerk Grassers wie ein naher Verwandter der profanen Tanzfiguren. [Abb./Anm.: Kreuzaltar für die neu erbaute Wallfahrtskirche St. Maria in München-Ramersdorf, um 1482. Einige Figuren des zentralen Kreuzigungsreliefs (Pharisäer/Schergen?) zeigen in Ausdruck und Gestik deutliche Verwandtschaft mit den kurz vorher geschaffenen Moriskentänzern (vgl. Abb.: MT Ic/226, Ic/225, Ic/227)]Künstlerische Ökonomie zahlte sich auch damals aus: Beim Großauftrag für das Chorgestühl der Münchner Frauenkirche (um 1502) bewies Grassers Werkstatt einmal mehr seine Leistungskraft. Nur wenige der zahlreichen Evangelisten, Propheten und Kirchenfürsten schnitzte der Meister selbst. Und wieder standen Moriskentänzer der heiligen Schar Modell. [Anm.: Prophet Zefanja ähnelt Moriskentänzer „Löwenmütze“] [Abb.: Prophetenbüsten Chorgestühl, um 1502] [Abb. Moriskentänzer, Ic/229] [Evtl. Abb.: Apostelfiguren vom ehem. Altar d. Salzburger Doms von E. Grasser, vor 1480] [Abb.: korrespond. Moriskentänzer: Ic/223, Ic/228, Ic/229]
Erasmus - am Sa, 04. Dezember 2004, 17:23 - Rubrik: Zweiter Raum