Die neue Wirklichkeit erfasst die Kunst in ganz Europa. Die Renaissance Italiens schult sich an der realitätsliebenden Antike. Auch mitteleuropäische Künstler bilden Personen und ihre Umwelt detailgetreu ab - und doch scheinen spätgotische Bildwerke stets bemüht, ihre Geistigkeit zu beweisen.Grassers Vorgänger und Zeitgenossen hatten viel erreicht: Michel Erhart (seit 1469 tätig in Ulm, seit 1494 in Augsburg) schuf Madonnen von höchstem Geist und Eleganz. Veit Stoß (um 1488 bis 1533, tätig in Nürnberg, Wien und Krakau) war Meister des innerlichen Dramas. Michael Pacher (um 1435 bis 1498, tätig u.a. in Salzburg) verband Malerei und Schnitzkunst auf höchstem Niveau. [Abb.: Erhart/Stoß/Pacher?]Wichtigstes Vorbild für Erasmus Grasser war wohl der niederländische Bildhauer Nikolaus Gerhaert von Leiden (um 1430 bis 1473, tätig u.a. in Straßburg und Wien). In seiner Skulptur verbinden sich bürgerlich-flämische Wirklichkeitstreue mit der höfisch-gespreizten Eleganz Burgunds. Sein kunstvoll „verschränkter Stil“ inspirierte junge Künstler in ganz Europa. [Abb.: Nikolaus Gerhaert von Leiden, Selbstbildnis, Sandsteinbüste, Straßburg, Musee de l’Oeuvre Notre Dame, 1467]
Erasmus - am Sa, 04. Dezember 2004, 17:21 - Rubrik: Zweiter Raum