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Vierter Raum

München, 1804: Der kunstinteressierte Kommissar Anton Baumgartner identifizierte im alten Rathaussaal zehn „weiße männliche tanzende Figuren“. Der geschulte Kriminalistenblick entriss die Moriskentänzer dem Vergessen. Doch ihre wahre Identität blieb noch lange im Dunkeln. Künstler und Gelehrte sahen in ihnen zunächst Narren, Gerichtsboten oder tanzende „italiänische Masken“. Bald war klar, dass die Figuren mit den „sonderbaren Stellungen und Geberden“ wohl eine Art Tanz aufführten, doch Art und Sinn des Treibens blieben lange rätselhaft. Erst 1886 enthüllte Ernst von Destouches, der Leiter des Münchner Stadtarchivs, die Identität der Zehn: Sie gehörten zu den 1480 urkundlich dokumentierten „16 pilden maruschka tanntz“ [Link zu Intro / ST 0.00] des Meisters Erasmus Grasser. Was war das aber für ein seltsamer Tanz? Die Spekulationen über mögliche Verwandte reichten vom englischen „Moorish dance“ oder der polnischen Mazurka bis hin zum bayerischen Schuhplattler oder dem Münchner Schäfflertanz. Erst 1926 entdeckte Philipp Maria Halm, Direktor des Bayerischen Nationalmuseums, die Ahnenlinie zum maurisch-burgundischen Moriskentanz [Link zu ST 3.30: „Morisken - faszinierend fremd“].

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts kam der Moriskentanz in Europa aus der Mode - ebenso wie die übrige burgundische Hofkultur. In München verlor sich das Wissen um die Tanzfiguren. Als die bayerischen Herzöge ihre neue Stadtresidenz bezogen, verlor der Tanzsaal an Glanz. Vom Dokument einstiger weltumspannender Ambitionen blieb ein altmodischer Ratssaal mit merkwürdigem Figurenschmuck. Die Ausschmückung folgte dem wechselnden Kunst- und Dekorationsgeschmack: 1607 erhielten die Figuren eine rote Tönung, passend zum neuen Deckenanstrich. 1726 strahlten sie in Rokkoko-Gold, 1778 in klassizistischem Weiß. Auch wenn die Eingriffe rabiat erscheinen - gerade ihre Fähigkeit zur Anpassung sicherte den spätgotischen Bildwerke das Überleben. Anstelle sie zu entsorgen, wurden die stark beschädigten Kunstwerke im Jahr 1726 sorgsam restauriert. Man schätzte sie weiterhin - auch wenn man sie nicht mehr verstand. [unterstrichene Links zu Nebentext: Restaurierungsgeschichte]

4 IDENTIFIKATIONSFIGUREN: MORISKEN IM BÜRGERLICHEN WOHNZIMMER

Hier geht es um die Wiederentdeckung der Morisken und ihre Erhebung zu Emblemen und Kultfiguren der Münchner Stadtkultur zwischen ca. 1840 und 2000 (Kernzeit 1880 bis 1980: sozusagen „Das Jahrhundert der Morisken“)

4.1 Die Entdeckung der Morisken: In Schwanthalers Burg
4.10 1833 – 1842 Wittelsbacher Ahnen vs. bürgerliche Morisken
Ahnen in den Rathaussaal, Morisken zu Schwanthaler („altbayrische Fröhlichkeit“, „italiänische Masken“). 1843 – 48? in Sch’s Burg, dann nach Italien verkauft
4.11 Vorher: 1607 rot > 1726 golden > 1778 weiß. „Merkwürdigkeiten“
4.12 1858 Bürgerliche Selbstbesinnung, Rückkauf der Originale erst durch Kunstgewerbe-Bewegung: 1887 (Rudolf von Seitz, Sohn von Franz)

4.2 Die bürgerliche Morisken-Begeisterung: Zwischen Allotria und Stilmöbel
4.20 Allotria > Kunstgewerbeverein, Narrenfiguren.
seit 1934 Fasching-Emblem mit erstem TANZ
4.21 Stil und Handwerk; Musterzimmer und Hofbräuhaus: Seitz, Gedon/Allotria, HBB
4.22 Stadtmuseum: haben die Figuren st. 1928, ausgestellt seit 1931.
offenbar neue „Wiederentdeckung“ seit 1928 (Halm, Grasser-Buch)
seit ca 1930 erst Inanspruchnahme der Morisken als Wahrzeichen für „bürgerliche Stadtkultur“ (vorher „Nationalmuseum“ als malerischer Gotik-Nippes)

4.3 In Hitlers Guter Stube: Volksgeist der deutschen Gotik
4.30 Obersalzberg, „Gute Stube Altmünchens“
Hitlers “Zauberer“ war auch Lieblingsfigur der Kunstgewerbler („Renaissance“)
4.31 SS-Nippes: der MOHR, Prophet + Bauer, Burgunder und Zauberer
4.32 Gotik-Spiel 1942 (Wilhelm Pinder > Richard Billinger): Wurzelholz, Künstlertum, Ekstase (vs. spießige Zünfte!!)

>> „artgemäße Kunst“: Karikatur Münchner-Kulturgut 1938-Ausstellung vgl. mit „entarteter Kunst-Ausstellung“ ebenfalls als Karikatur

4.4 Nach dem Krieg: Trademark „Münchner Moriskentänzer“
4.40 Schnitzerladen / Souvenirs, Oktoberfestkrüge
4.41 „München leuchtet“, Erasmus Grasser-Preis
4.42 Bürgerstuben im Mietshaus (aktuelle Fotos)
4.43 Olympia-Botschafter 1968: Kandinsky, Marc, Morisk

 

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